Sprachenlernen leicht gemacht: mit “Tandem” kein Problem

Hannah K
5 min readNov 1, 2020
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Sprachen online mit Muttersprachlern lernen: E-Learning-Plattformen wie „Tandem“ machen es möglich.

„Im Anfang war das Wort.“ So beginnt das Johannesevangelium und zeigt damit offenkundig die Bedeutung der Sprache für unsere Spezies auf. Sprache ist seit jeher das höchste Gut des Menschen, um Kommunikation zu ermöglichen. Gerade in unserer heutigen modernen und international vernetzten Welt spielt Sprache eine entscheidende Rolle. Neben der eigenen Muttersprache werden auch Fremdsprachenkenntnisse immer wichtiger. Egal, ob zum beruflichen Weiterkommen, zur besseren Verständigung im Urlaub oder einfach aus Interesse an einer Sprache: Sprachenlernen liegt im Trend. Wenn die Deutschen eine Fremdsprache lernen, dann ist das meistens Englisch. Der „English Proficiency Index“ vergleicht die Englischkenntnisse verschiedener Nationen miteinander. Im internationalen Vergleich belegte Deutschland im Jahr 2019 den zehnten Platz unter 100 teilnehmenden Ländern.

Sprachen online lernen

In der heutigen Zeit ist es so einfach wie nie zuvor, eine neue Sprache zu erlernen. Natürlich nimmt einem auch heutzutage niemand das Vokabelpauken ab. Doch hierfür muss man sich nicht mehr zwangsläufig durch dicke Lehrbücher und noch dickere Vokabellisten wälzen. Die Traumata, entstanden durch unangekündigte Vokabeltests und stundenlanges Lernen mit Karteikarten oder wahlweise mit dem bei Lehrern und Eltern gleichermaßen beliebten Vokabeltrainer „Phase6“, gehören der Vergangenheit an. Sprachenlernen wird nun neu definiert und es scheint, als könne es sogar Spaß machen. Das Internet bietet hier einige sehr hilfreiche Unterstützungsmaßnahmen für den Lernprozess an. Allein die diversen Übersetzer im Netz können ausgesprochen nützlich sein. Zugegebenermaßen erhält man hier teilweise Übersetzungsvorschläge, die einen mit ungläubigem Kopfschütteln zurücklassen. Die Funktionen dieser maschinellen Übersetzer sind begrenzt. Vor allem Redewendungen und Wörter, die nicht unbedingt in einem handelsüblichen Duden zu finden sind, stellen sie vor eine große Herausforderung. Doch neben den Übersetzern bietet das Internet mittlerweile auch die Möglichkeit, eine Sprache gemeinsam mit anderen Menschen zu erlernen. E-Learning-Plattformen wie „Tandem“ machen es möglich.

Mit Muttersprachlern lernen

Auf „Tandem“ trifft man Muttersprachler der verschiedensten Sprachen und fungiert zugleich auch als Experte der eigenen Muttersprache. Das im 18. Jahrhundert aus dem Englischen übernommene Substantiv „Tandem“ stammt ursprünglich von dem lateinischen Wort „tandem“ ab, was so viel wie „endlich“ und im mittelalterlichen Universitätslatein „der Länge nach (hintereinander)“ bedeutet. Genau nach diesem Prinzip funktioniert ein Sprachtandem: es werden nacheinander beide zu lernenden Sprachen besprochen. Man formt also ein Tandem mit einem Partner, dessen Muttersprache man erlernen möchte. Wer also beispielsweise Spanisch lernen möchte, sollte sich mit einem spanischsprachigen Muttersprachler zusammentun. Im Gegenzug bringt man diesem dann die eigene Muttersprache bei. Auf „Tandem“ ist man also Schüler und Lehrer in einem. Das Lernen im Tandem bringt eine vorteilhafte 1zu1 Lernsituation mit sich. Wie beim herkömmlichen Privatunterricht genießt man auch hier als einziger Schüler die volle Aufmerksamkeit des Lehrers. Nach einer gewissen Zeit werden dann die Rollen getauscht, der Schüler wird zum Lehrer und der Lehrer schlüpft in die Rolle des Schülers.

In Sprachkursen und auch im regulären Schulunterricht ist es nicht zwangsläufig gegeben, dass die Lehrperson tatsächlich Muttersprachler der gelehrten Sprache ist. Bei „Tandem“ hingegen lernt man mit wahren Muttersprachlern. Das hat den Vorteil, dass man eine wesentlich authentischere und realitätsnähere Form der Sprache kennenlernt. Hier hat man die Chance, die Floskeln der Umgangssprache — nach denen man in Lehrbüchern oftmals vergeblich sucht — kennenzulernen. Außerdem kann der Tandempartner oft auch interessante Einblicke in die Geschichte und Kultur eines Landes gewähren. Dass auch dieses kulturelle Wissen zum besseren Verständnis der Sprache beitragen kann, zeigt das Beispiel des kölschen Ausdrucks „Halve Hahn“ nur zu gut. Kaum ein Tourist wird wohl wissen, dass es sich bei dieser Köstlichkeit nicht etwa um einen halben Hahn, sondern um ein mit Käse belegtes Brötchen handelt. Zudem kann einem der Tandempartner mitunter auch besondere Insider-Tipps für eine bevorstehende Reise verraten. Einige unvergessliche Momente, die ich auf meiner Reise nach Brasilien erlebt habe, verdanke ich den wertvollen Empfehlungen meines Lernpartners.

Funktionen der App

Am besten lernt es sich direkt über die App der E-Learning-Plattform. Diese kann kostenlos heruntergeladen werden und ist vor allem in der Anfangsphase der Lernpartnerschaft sehr beliebt. Neben gewöhnlichen Nachrichten können hier auch Sprachnachrichten ausgetauscht werden. Hilfreich ist auch die Übersetzer-Funktion. Hiermit können Nachrichten von der eigenen Muttersprache schnell und unkompliziert in die Sprache des anderen übersetzt werden. Um die eigene Aussprache zu verbessern, können dann neben den Sprachnachrichten auch Telefonate und sogar Videoanrufe getätigt werden. Selbstverständlich kann die Kommunikation auch außerhalb der App stattfinden. Mein Tandempartner und ich treffen uns normalerweise einmal wöchentlich für zwei Stunden. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sind wir wieder zum Online-Unterricht zurückgekehrt, die „Tandem“-App macht es problemlos möglich. Der Unterricht kann so gestaltet werden, wie es beliebt. Wir starten meistens mit einem Bericht über unseren Tag: mein Lernpartner berichtet mir auf Deutsch über die Ereignisse seines Tages und ich versuche mich darin, ihm meine Erlebnisse des Tages auf Portugiesisch näher zu bringen. Im weiteren Verlauf des Unterrichts können dann wahlweise Übungen aus Lehrbüchern, Hörverstehensaufgaben oder auch Videos hinzugezogen werden, um den Spracherwerb zu fördern.

Reflexion über die eigene Muttersprache

Die Interaktion mit dem Tandempartner birgt immer wieder interessante als auch witzige Erlebnisse. So sprach mein Lernpartner, ein Brasilianer mit dem Wunsch, die deutsche Sprache zu erlernen, kürzlich von einer „Zahnbrüste“. Gemeint war selbstverständlich eine „Zahnbürste“. Das Wort hatte er irgendwo aufgeschnappt, jedoch hatte sich in seiner Version ein Buchstabendreher eingeschlichen. Im Rahmen meiner Lehrtätigkeit klärte ich ihn selbstverständlich schleunigst auf, um ihn vor unangenehmen Situationen in zukünftigen Unterhaltungen zu bewahren. Jemand anderem die eigene Muttersprache näher zu bringen führt auch dazu, dass man diese kritisch beleuchtet. Die eigene Muttersprache wird grundsätzlich als selbstverständlich und unantastbar angesehen. Etwas, das nicht häufig angezweifelt oder hinterfragt wird. Das ändert sich jedoch spätestens, wenn der Lernpartner plötzlich wissen möchte, warum es denn ein in sich so widersprüchliches Wort wie „Gefrierbrand“ gibt. Ja, was meint der Chef wohl, wenn er einen bittet, den „Kladderadatsch“ wegzuräumen? Wussten Sie, dass dieses seltsame Wort von einem gleichnamigen politisch-satirischen Wochenblatt aus dem 19. Jahrhundert stammt? Richtig, ich auch nicht. Bis ich dem Ursprung des Wortes für meinen Lernpartner auf den Grund gegangen bin. Für mich nichts Neues, für meinen Lernpartner eher ungewohnt und irritierend, ist das Faible der deutschen Sprache für Bandwurmwörter. Denn Wörter wie „Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän“ sind zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftig und schwierig zu erlernen. Und die deutsche Sprache besitzt viele dieser Wortungetüme. In einem Sprachtandem lernt man also neben einer neuen Fremdsprache gleich auch noch etwas mehr über die eigene Muttersprache.

Die modernen Technologien eröffnen ganz neue Möglichkeiten und erleichtern den Prozess des Sprachenlernens mitunter ungemein. Vor allem momentan fallen wohl viele Sprachkurse der Corona-Pandemie zum Opfer. Dies muss aber nicht zwangsläufig das Aus des Sprachenlernens bedeuten. Online kann immer gelernt werden. Der richtige Augenblick für eine neue Sprache ist jetzt, denn der nächste Urlaub oder die nächste Geschäftsreise werden kommen.

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